Hufbeschlag Erwin Beyer

 

Unser Bericht ist auch zu finden im Jahrbuch 2015 der VFD

 

Wildpferd ist nicht gleich Hauspferd

 

Von dem Zeitpunkt an als sich der Mensch das Pferd zu Nutzen machte, stellte sich auch die Frage nach dem richtigen Hufschutz. Eine Frage, die bis heute, trotz moderner Diagnosesysteme zur Analysierung des Bewegungssystems wie, Wärmebildkameras, Hochgeschwindigkeitsanalysen, Druckmessungen und Laufbandanalysen immer noch eine Herausforderung ist. Man nimmt an, dass es bereits 2000 v. Chr. die ersten Hufschmiede gab, die wohl auch die ersten Tierheiler waren. Mit verschiedenen Materialien wurde und wird seitdem mit dem Ziel experimentiert, den Huf vor übermäßigen Abrieb zu schützen.

 

P.R.E. Hengste im Dienst des Menschen

Seit dem das Pferd im Dienste des Menschen steht musste es sich den gegebenen Umständen anpassen und entwickelte sich durch gezielte Zucht weg vom wilden Steppentier zum domestizierten Nutztier.

Auch deshalb können unsere Hauspferde heutzutage nicht uneingeschränkt mit ihren noch wildlebenden Artgenossen verglichen werden. Die heutige Hufzubereitung sollte sich zwar an der Natur orientieren aber muss auch die gegebenen Umstände aus Haltung und Nutzung mit einbeziehen.

 

 

Hornwachstum und Abrieb halten sich im Gleichgewicht

 

Das in Freiheit lebende Steppentier beschäftigt sich den Großteil des Tages mit der Nahrungsaufnahme ( bis zu 16 Stunden/Tag). Die durchschnittliche Bewegungsmenge eines Wildpferdes liegt nachweislich bei 30 Kilometern am Tag! Im australischen Outback wurden bei den dort lebenden Wüstenpferden( auch Brumbys genannt) Untersuchungen der Bewegungsmuster von Pferden in freier Wildbahn durchgeführt. Die durchschnittliche zurückgelegte Entfernung betrug zwischen 8,1 und 28,3 km/Tag. Es wurden Pferde bis zu 55 km Entfernung vom Wasserloch geortet. Wanderungen bis zu 12 Stunden zur nächsten Wasserstelle wurden gemessen. Auch die Hufe dieser Pferde wurden untersucht. Dabei wurden die Hufe verschiedener Herden in 5 unterschiedlich lebenden Gebieten( z.B Felsgebiet, Wüstenrand oder sandiges Küstengebiet) vermessen, digitalisiert und Röntgenaufnahmen angefertigt. Hierbei wurden 5 verschiedene Hufformen festgestellt die perfekt den gegebenen Umständen angepasst waren. Selbst bei großen Strecke halten sich Hornwachstum und Abrieb im Gleichgewicht.

 

 

 

 

 

Halbwild lebende Herde in Spanien

 

Durch die Haltung und auch Überzüchtung unserer Hauspferde und das fehlen der natürlichen Selektion kann das Hufhorn diese Qualität schon seit Generationen oft nicht erreichen.
Auch erwähnenswert ist das in freier Natur ein Pferd nur mit gesunden Hufen überleben kann. Ein Wildpferd das nicht gut zu Fuß ist wird gnadenlos von der Natur selektiert.

 

 

Przewalskipferde haben eine stabilere Hornstruktur

 

Die Hornstruktur bei Przewalskipferden weist einige Unterschiede zu der des durchschnittlichen Hauspferdes auf. Die weiße Linie dieser noch wild lebenden Pferde ist deutlich schmäler, die Hornröhrchen sind enger als beim Hauspferd und enthalten Markzellen die eine wirkungsvolle Barriere gegen Keimbesiedlung darstellen.

Beim Hauspferd hingegen besteht das Röhrchenhorn tatsächlich aus weitlumigen Röhrchen, das Röhrchenmark ist herausgefallen. Bei Strahlfäule oder auch White-Line-Disease  (Erkrankung der weißen Linie) werden die Röhrchen durch bakterielle Zersetzung gänzlich zerstört.

 

Hufpräparat eines Hauspferdes

Im großen und ganzen haben die Przewalskipferde eine stabilere Hornstruktur und falls der natürliche Hornabrieb nicht ausreichend ist reguliert sich der Huf selbst mit extremen Hornwandausbrüchen.

 

 

Wildpferde stehen nicht auf feuchter Einstreu

Das domestizierte Pferd und seine Hufe müssen mit vielen Umständen auskommen mit denen ein Wildpferd in freier Natur nicht konfrontiert wird z. B. feuchte Einstreu, Mist und Urin. Auch bei gepflegter Boxen- oder Paddockhaltung ist der Huf diesem Milieu täglich viele Stunden ausgesetzt.

Unsere Hauspferde haben mit den vielen verschiedenen Bodenverhältnissen auf Schotterwegen, Teerstraßen, feuchten Wiesen oder Sandplätzen je nach Nutzung täglich zu tun. Nicht jeder Pferdehuf kann sich den gegebenen Bodenverhältnissen anpassen und sich selbst vor übermäßigen Abrieb schützen bzw. in kürzester Zeit genügend Horn nach produzieren. In diesen Fall macht es Sinn dem Pferd einen Hufschutz zu gönnen, sei er nun permanent( genagelt oder geklebt) oder temporär (Hufschuhe), kommt auf die Nutzung des Pferdes und dem Geschick des Besitzers an. Bei der Wahl des richtigen Hufschutzes sollte man sich auf jeden Fall auf die Beurteilung des gut ausgebildeten Hufspezialisten Ihres Vertrauens verlassen, denn er hat Spezialkenntnis in der distalen Biomechanik, der Hufstruktur und Hufbalance.

 

Extrembelastung für den kompletten Bewegungsapparat

 

 

Eine Generallösung gibt es nicht - Jedes Pferd muss individuell Beurteilt werden

 

Mit in die Beurteilung einfließen sollten:

- Haltungsumstände

- Nutzung

- Hufbeschaffenheit

- Bodenverhältnisse

- Gliedmaßenstellung

- körperlicher Allgemeinzustand

- Umwelteinflüsse

um nur einige zu nennen.

Wünschenswert ist natürlich das ein Pferd Barhufgänger bleiben kann. Da wir aber seit tausenden von Jahren das Pferd zu einem nicht wegzudenkenden Nutztier gemacht haben und es ständig zu Höchstleistungen antreiben ist hierbei oftmals ein ausreichender Hufschutz nicht mehr wegzudenken.

 

Text und Bilder: Regina Knürr, und Erwin Beyer- staatlich geprüfter Hufschmied, VFD Übungsleiter/Fahren

Literaturnachweis: Forschungsgruppe „ Australian Brumbys“ University of Queensland, The principles of Horseshoeing von Dr. Doug Butler, Alternativer Hufschutz von Kristin Becker, Der Lehrmeister im Hufbeschlag von A. Lungwitz ( 1892), Tratado de podología y arte de herrar von H. Ruthe, Revista El Herrador

 

©Hufbeschlag Erwin Beyer

 

 

 




 

 

Top